Steindolmen
Geschichte und Geschichten aus Skandinavien
Sømarkedysse, Møn

Räuber, Retter, Reparaturen - Der Jordehøj auf der Insel Møn

Jordehøj, Møn

Zwei Kilometer südwestlich von Stege auf der dänischen Insel Møn liegt das Ganggrab Jordehøj ("Erdhügel"), eins der schönsten und besterhaltenen Ganggräber des Landes. Ganggräber waren Gemeinschaftsgräber, die während einer nur rund 100-jährigen Periode vor etwa 5200 Jahren in der Bauernsteinzeit errichtet, aber oft jahrhundertelang als Grabstätte genutzt wurden. Die Grabkammer des Jordehøj ist mit einer Länge von 10 Metern und einer Breite von 2.5 Metern ungewöhnlich groß. Zur Grabkammer hin führt ein knapp 8 Meter langer Gang, dessen Eingang an der Südostseite des Hügels liegt. Auf dem zweiten Tragstein des Ganges (vom Eingang her gesehen) befinden sich 10 Schalengruben aus der frühen Bronzezeit, die von der jahrhundertelangen Verwendung des Hügels als Begräbnis- und Kultstätte zeugen.

Jordehøj, Schalenstein im Eingangsbereich
Tragstein im Eingangsbereich
mit Schalengruben

Der Grabhügel wurde 1836 von Gustav Hage (1808-1863), einem altertumsinteressierten Großhandelskaufmann aus Stege, erstmals gründlich untersucht. Leider existieren nur noch wenige Informationen über diese Ausgrabung. Einige Jahre nach Gustav Hages Tod schrieb sein Sohn 1870 einen kurzen Bericht darüber. So schreibt er, daß bei der Öffnung der Grabkammer "6-8 große Körper in Reihen geordnet dalagen. Reste von Haaren von den Köpfen wehten dahin wie Spinnweben. Kein Bernstein, aber viele Steinwerkzeuge lagen bei den Leichen, auch etwas aus Knochen, und in den Ecken standen Tongefäße". Auch im Fundprotokoll des Nationalmuseums von 1837 finden sich vereinzelte Angaben über die Ausgrabung, in denen jedoch von neun bis zehn Menschenskeletten in der Grabkammer die Rede ist.

Einen Teil der Fundstücke überließ Gustav Hage, der in häufigem Briefwechsel mit dem damals führenden dänischen Archäologen Christian Jürgensen Thomsen stand, dem späteren Nationalmuseum. Thomsen war mehrere Jahre lang verantwortlich für die Altertümerausstellung in Kopenhagen, die später die Grundlage für das Nationalmuseum darstellte, und er war eine treibende Kraft beim Einsammeln von Fundstücken aus dem dänischen Altertum. Von der Ausgrabung des Jordehøj nahm er einen Teil der Keramiken sowie Stein- und Knochenwerkzeuge entgegen, die sich noch heute in der Sammlung des Museums befinden, die jedoch irgendwann vermischt wurden mit Funden aus dem gleichzeitig ausgegrabenen, heute nicht mehr erhaltenen Ganggrab Sognehøj auf Møn. So ist es heute unmöglich zu unterscheiden, welche Stücke aus welchem der beiden Gräber stammen. Höchstwahrscheinlich war es Gustav Hage selbst, der seine Funde zusammenmischte, während er in den Jahren 1836 und 1837 zahlreiche archäologische Untersuchungen auf Møn durchführte.

Bei der Ausgrabung des Jordehøj hatte man obendrein noch das Pech, daß Grabräuber während der Ausgrabungen in die Grabkammer des Hügels eindrangen und den größten Teil der Knochen stahlen. Zum Glück hatte Gustav Hage noch kurz zuvor drei Schädel mit in sein Privathaus in Stege genommen. Der Diebstahl vom Jordehøj ist eines der frühesten bekannten Beispiele für Grabräuberei während einer archäologischen Ausgrabung. Altertumsfunde standen damals hoch im Kurs und konnten mit großem Gewinn an private Sammler verkauft werden. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es, daß "Herrn Hage, auf dessen Veranlassung die Ausgrabung geschah, am nächsten Morgen die Kränkung widerfuhr, Reste aus der Grabhöhle zwischen einem Haufen Knochen wiederzufinden, die ihm zum Verkauf angeboten wurden".

Jordehøj, westliche Grabkammer
Westliche Grabkammer
Jordehøj, östliche Grabkammer
Östliche Grabkammer

Das ebenfalls 1836 ausgegrabene und ganz in der Nähe des Jordehøj gelegene Ganggrab Sognehøj wurde damals gerade abgerissen. Große Steine waren zu der Zeit begehrtes Baumaterial und konnten einen guten Verdienst einbringen. Kaufmann Hage machte jedoch seinen Einfluß geltend in Sachen Jordehøj, der nach dem Abschluß der Ausgrabung ebenfalls in Gefahr war, Stein für Stein abgerissen zu werden. Nach einem Gesuch an Christian Jürgensen Thomsen gelang es Gustav Hage, den Staat dazu zu bringen, jährlich fünf Reichstaler an den ortsansässigen Pachtbauern Jørgen Peiter Christiansen zu zahlen, der das Hügelgrab pflegen und beaufsichtigen sollte.

Im Jahre 1847 erhielt man in Kopenhagen die Mitteilung, daß der eine Deckstein über der Grabkammer im Jordehøj teilweise in die Kammer gestürzt war und jetzt nur noch mit Hilfe einer zeitweiligen Holzkonstruktion oben gehalten wurde. Im Jahre 1987 drohte dieser Deckstein wieder einzustürzen, und so entschloß man sich zu einer umfassenden Restaurierung des Jordehøj im darauffolgenden Jahr, verbunden mit einer weiteren Untersuchung und Ausgrabung. Dabei zeigte sich, daß der Deckstein den Erbauern des Grabes schon beim Bau vor mehr als 5000 Jahren Probleme bereitet hatte. Dieser und noch ein weiterer Deckstein lagen nicht oben auf den Tragsteinen, sondern schienen während des Baues ein wenig abgerutscht zu sein, so daß sie auf einem wie als eine Art Keil eingeschobenen Stein lagen. Bei der Restaurierung 1988 entschied man sich aus Sicherheitsgründen, die Decksteine an den Platz zu heben, wo sie ursprünglich schon in der Bauernsteinzeit hätten liegen sollen. So wurde der Jordehøj mit gut 5000 Jahren Verspätung so repariert, daß man jetzt zum ersten Mal sicher in die Kammer hineingehen kann.

Jordehøj, Eingang
Jordehøj, Eingang an der
Südostseite des Hügels
Jordehøj, Trockenmauer
Trockenmauerkonstruktion
in der Grabkammer
Jordehøj, Trockenmauer
Trockenmauerkonstruktion
in der Grabkammer

Bei der Untersuchung zeigte sich auch, daß die Erbauer viel getan hatten, um die Kammer wasserdicht zu halten. Die Zwischenräume zwischen den großen Decksteinen waren zuerst mit zerstoßenem Flint abgedichtet worden. Falls sich ein Stein absenken sollte, würde der Flint sofort in den Hohlraum hinabgleiten und ihn wieder fest abschließen. Darüber lag eine harte Lehmschicht, bedeckt von Flintplatten. Die Platten waren so übereinandergelegt, daß sie ein Dach mit einem steilen Winkel bildeten. Dadurch wurde Wasser, das durch den Erdhügel eindrang, einfach abgeleitet. Die in zahlreichen Hünengräbern gefundenen Reste von (Trocken-) Mörtel sind die ältesten bekannten Spuren des Gebrauchs von Mörtel in Dänemark. Er wurde nicht nur verwendet, um das "Dach" der Grabkammer abzudichten, sondern auch um die flachen Steine der "Trockenmauer"-Konstruktion festzuhalten, die die Zwischenräume zwischen den großen Tragsteinen der Kammerwand und des Ganges auszufüllen. Last not least wurden bei der Ausgrabung unter dem Hügel Pflugscharen gefunden - Spuren von Bodenbearbeitung mit einem Pflug.


Quellen und weiterführende Literatur

  • ANONYMUS (o.J.): Jordehøj. Oltidsgrave, Nationalmuseet.

  • ANONYMUS (o.J.): Jordehøj. Informationstafel beim Grabhügel. Storstrøms Amt - Umweltministerium, Wald- und Naturverwaltung.

  • GLOB, P.V. (1969): Helleristninger i Danmark. Jysk Arkæologisk Selskabs Skrifter, Bind VII, Odense.

  • EBBESEN, Klaus (1993): Stendysser og jættestuer. Odense Universitetsforlag, Odense.

  • LARSEN, Bodil Leth (o.J., < 1970): Møns Vorzeitsdenkmäler. Møns Turistforening, Stege.

  • MATHIASEN, Therkel (1959): Stenalderens mindesmærker i landets forskellige egne. In: BURE, Kristijan (Red.): Stenalderen. Turistforeningen for Danmark, Årbog. Det Berlingske Bogtrykkeri, Kopenhagen.

  • MICHAELSEN, Karsten Kjer (2002): Politikens bog om Danmarks oldtid. Politikens Forlag, Kopenhagen.



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