Theoderichstrophe
Geschichte und Geschichten aus Skandinavien
Runenband

DR 347 Norra Åsum

DR 347 - Norra Åsum

Allgemeine Informationen:

  • Standort: Vor der Wand in der Vorhalle der Kirche von Norra Åsum, Skåne
  • Datierung: Mittelalter, zwischen 1178 und 1201
  • Runentypen: Mittelalterliche Runen
  • Gegenstand: Runenstein, Granit

Transkription der Runeninschrift:

+ krist : mario : sun : hiapi : þem : ær : kirku : þ(e)-... -erþ(o)/-erþi : absalon : ærki : biskup : ok : æsbiorn muli :

Deutsche Übersetzung:

Christus, Marias Sohn, helfe denen, die diese Kirche machten, Erzbischof Absalon und Esbjörn Mule.

Kommentar:

Als der große schwedische Botaniker und Naturforscher Carl von Linné auf seiner Reise durch Skåne am 24. Mai 1749 die Kirche in der Stadt Åsum besucht, vermerkt er in seinen Aufzeichnungen auch einen Runenstein, der in der Friedhofsmauer steht. Linné gelingt ein ganz passabler Versuch, die Inschrift zu lesen, und er rundet seine Notiz ab mit einem Zitat aus Saxo Grammaticus großer Geschichtschronik Gesta Danorum ("Die Taten der Dänen"), in dem der Ort im Zusammenhang mit einer Schlacht erwähnt wird:

    Der König [Knut] gebot, daß der See abgesucht werden sollte, und er ließ die Leichen der Ertrunkenen, die mit Haken und Grundnetzen hochgefischt wurden, bei der Stadt Åsum, die am Fluß liegt, begraben.

Rein formal läßt sich nicht entscheiden, ob sich die Inschrift wirklich auf die Kirche von Norra Åsum bezieht, die im späten 12. Jahrhundert erbaut wurde. Allerdings wird der Stein schon seit seiner ersten schriftlichen Erwähnung 1598 in gelehrten Kreisen mit dieser Kirche in Verbindung gebracht, über den Standort des Steins in der nördlichen Friedhofsmauer wird 1627 erstmals berichtet. Irgendwann nach Linnés Besuch wird er auf dem Friedhof nahe der damaligen Vorhalle der Kirche aufgestellt. Später wird er erneut versetzt, so nah an die Wand der Vorhalle, daß man die Rückseite des Steins kaum noch direkt untersuchen kann. Bei späteren Untersuchungen der Rückseite wurden ein paar eingehauene Linien entdeckt, die parallel verlaufen und Rahmenlinien für ein Inschriftsband gleichen. Vermutlich war auch auf der Rückseite des Steins eine Inschrift geplant, vor oder nach der Inschrift auf der Vorderseite. Heute steht der Stein in der der Vorhalle der Kirche.

Runologisch kann die Inschrift in das 12. Jahrhundert datiert werden. Der Runenritzer verwendet konsequent mittelalterliche Runenformen, die t-, a-, n- und o-Runen haben die Beistäbe nur auf einer Seite des Hauptstabes. So kann man leicht zwischen a- und æ-Rune unterscheiden: Die Kurzzweigvariante (Beistab nur auf einer Seite) bezeichnet "a", die Langzweigvariante (Beistab auf beiden Seiten) bezeichnet "æ". Die Inschrift enthält auch einige punktierte Runen, z.B. die e-, g- und p-Runen. Die Inschrift kann also nicht älter sein als frühes 12. Jahrhundert, da man erst zu diesem Zeitpunkt begann, die punktierte b-Rune als p-Rune zu verwenden. Einen Schreibfehler hat der Runenritzer gemacht, als er im Wort "hialpi" die l-Rune vergessen hat. Im oberen Teil, dort wo das Runenband wendet, ist der Stein beschädigt, einige Runen sind dort schwer lesbar und lassen sich nur aus dem Kontext erschließen.

Der in der Inschrift genannte Erzbischof Absalon ist eine der größten und beeindruckendsten Persönlichkeiten der mittelalterlichen Geschichte Skandinaviens. Er wird in zahlreichen zeitgenössischen Quellen erwähnt und es heißt, er sei "der rüstigste und waffenfreudigste aller Männer". Geboren 1128 in Fjenneslev auf Seeland als Sohn von Asser und Rig, war er Mitglied des mächtigen Hvide Geschlechts. Er ist der eigentliche Gründer Kopenhagens, einer der führenden Staatsmänner in Dänemark in den turbulenten Jahrzehnten nach 1150. Absalon wird 1178 Erzbischof in Roskilde und in Lund in Skåne, das damals zu Dänemark gehörte. Bei seinem Tod im Jahre 1201 hinterläßt er ein großes Vermögen, das nach seinem eigenen testamentarischen Wunsch verteilt wird. In diesem Testament wird auch der zweite in der Inschrift genannte Kirchenbaumeister Esbjörn Mule erwähnt. Über ihn weiß man sonst nicht sehr viel. Sein Spitzname "Mule" bedeutet wörtlich übersetzt "Schnauze" oder "Rüssel". Vermutlich ist Esbjörn der eigentliche Bauherr der Kirche von Norra Åsum und ebenfalls ein Mitglied des Hvide Geschlechts. Sein Todesdatum ist nicht genau bekannt, sehr wahrscheinlich liegt es vor 1215. Moderne Historiker vermuten, Esbjörn Mule sei identisch mit Absalons Bruder Esbjörn Snare, der 1204 starb.

Da Absalon in der Runeninschrift als Erzbischof bezeichnet wird, muß der Runenstein nach 1178 errichtet worden sein. Lange herrschte in Gelehrtenkreisen jedoch Uneinigkeit darüber, ob der Stein zu Lebzeiten oder erst nach dem Tod Absalons und Esbjörns aufgestellt wurde. Die Fürbitte in der Inschrift könnte auf deren Entstehung nach dem Tod hindeuten. Allerdings fehlt in der Fürbitte das Wort "Seele", das sonst fast immer in solchen Gebetsformeln für Verstorbene in Runeninschriften vorkommt. Es spricht also einiges dafür, daß Erzbischof Absalon noch persönlich für die Errichtung des Runendenkmals sorgte.

Als Erzbischof Absalon diesen Runenstein als Denkmal errichten ließ, war der Brauch, Runensteine aufzustellen, im dänischen Reich schon seit über eineinhalb Jahrhunderten ausgestorben. Runensteine gab es nur noch als liegende Grabsteine. Als Saxo Grammaticus die Quellen seiner Geschichtsschreibung anführt, erwähnt er, daß er großen Nutzen aus alten Liedern zog, die durch mündliche Überlieferung in der Muttersprache bewahrt wurden, sowie aus den Preisungen, die in einheimischer Schrift in Steine oder auf Felsoberflächen geritzt waren. Der Auftraggeber für Saxos umfassendes Geschichtswerk war kein geringerer als der mächtige Erzbischof Absalon persönlich, was verdeutlicht, daß dieser ein brennendes Interesse an der Vorgeschichte seines Landes hatte. Es kann daher kaum ein Zufall sein, daß der Mann, der für die Niederschrift der dänischen Geschichtschronik sorgte, auch den letzten Runenstein im Reich aufstellen ließ. Aber im Gegensatz zum Geschichtswerk, das in lateinischer Sprache und mit lateinischen Buchstaben niedergeschrieben wurde, ist Absalons Gedenkstein in der Muttersprache verfaßt und mit den einheimischen Runenzeichen geschrieben.

Norra Åsum Kyrka

Quellen und weiterführende Literatur

  • ENOKSEN, Lars Magnar (1998): Runor - Historia, Tydning, Tolkning. Historiska Media, Lund.

  • HAGBERG, Knut (Hrg.)(2005): Carl von Linnés Skånska Resa. Bokförlaget Natur och Kultur, Stockholm.

  • JANSSON, Sven B.F. (1987): Runes in Sweden. Gidlunds, Stockholm.

  • MARKVAD, Jørgen (2003): Runer og Runesten. Forlaget Yduns Æbler, Gedved.

  • MOLTKE, Erik (1985): Runes and their origin - Denmark and elsewhere. Nationalmuseets Forlag, Kopenhagen.

  • SNÆDAL, Thorgunn, ÅHLÉN, Marit, LUNDBERG, Bengt A. (2004): Svenska Runor. Riksantikvarieämbetet, Stockholm.

  • WINKEL HORN, Erhardt Frederik (1898): Saxo Grammaticus - Danmarks Krønike. Første Del, X. Bog. Neudruck 1984. Vintens Forlag, Kopenhagen.