Steindolmen
Geschichte und Geschichten aus Skandinavien
Sømarkedysse, Møn

Grønsalen - Ein Grab mit Legenden und Mythen

Grønsalen Südseite
Grønsalen Nordseite
Der Grønsalen in voller Länge. Oben: Südseite, unten: Nordseite.

Auf einem Höhenzug in der südwestlichen Ecke der Insel Møn, am Ende des Fanefjord, der von der Meerenge Grønsund aus knapp zwei Kilometer weit malerisch in die Insel hineinragt, steht weithin sichtbar die hübsche, weiß verputzte Fanefjord Kirche. Etwa einen halben Kilometer südlich davon liegt eines der größten Altertumsdenkmäler Dänemarks, der Langdolmen "Grønsalen", im Volksmund auch "Grønjægers Høj" (des grünen Jägers Hügel) oder "Fanes Sal" (Fanes Saal) genannt.

Grønsalen, Trockenmauer
Trockenmauer am Ostende des Grønsalen

Der 1963 restaurierte Langdolmen ist einer der ansehnlichsten und besterhaltenen des Landes. Er wurde während der frühen Bauernsteinzeit im Neolithikum vor etwa 5500 Jahren erbaut. Nach einer ersten gründlichen Untersuchung durch Bischof Münter im Jahre 1810 wurde der Dolmen unter Denkmalschutz gestellt. Oft war dies allerdings kein wirkungsvoller Schutz. Große Steine waren als Baumaterial begehrt und viele Gräber wurden bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein nahezu vollständig abgetragen oder untergepflügt, so daß man heute bestenfalls noch schwache Spuren von ihnen findet. Versuche, den Landeigentümern die Gräber abzukaufen, waren oft wenig erfolgreich, da die Bauern nicht gerne ihre Unterschrift auf Papier setzten sondern lieber mündliche Versprechen abgaben - die dann leicht zu brechen waren. In vielen Fällen ist die Erhaltung der Gräber letztendlich dem Eingreifen engagierter Einzelpersonen zu verdanken.

Der rund 100 Meter lange, knapp 10 Meter breite und über 1 Meter hohe Grønsalen ist genau in Ost-West-Richtung orientiert und auf seiner ganzen Länge sowie an den beiden Schmalseiten von insgesamt 134 bis zu mannshohen Randsteinen eingefaßt. An der östlichen Schmalseite sind noch Reste sogenannter "Trockenmauer"-Konstruktionen zu erkennen: Die Zwischenräume zwischen den großen Steinen waren aufgefüllt mit geschichteten, kleinen, flachen Sandsteinen, die zu ihrer Bauzeit mit einer Art Mörtelmasse aus Lehm oder aufgeschlemmter Kreide verputzt waren. In Dänemark findet man auch gelegentlich Birkenrinde zwischen den Steinplatten.

In der Mittelachse des Hügels liegen drei einfache Grabkammern, alle parallel zum Hügel. Auf der westlichen Kammer liegt ein prismaförmiger schöner Deckstein mit einer nach Süden gewandten, vollkommen flachen Seite. Bei Sonnenauf- und -untergang kann diese Seite leuchten und funkeln, als ob sie mit hunderten von Edelsteinen bedeckt wäre, ein Lichtspiel, das durch die großen grauen Kristalle im Granitstein hervorgerufen wird. Den beiden anderen Kammern fehlt der Deckstein. Die Kammern sind rechteckige Steinkisten, gut mannslang, etwa 70 cm breit und entsprechend tief. Die beiden Langseiten bestehen aus zwei langen Steinen mit je einer flachen, ins Innere der Kammer gerichteten Seite. Die Enden bestehen aus kürzeren Steinen. Diese Art Dolmenkammer ist die einfachste und vielleicht auch älteste. Man findet sie überall in Dänemark, am häufigsten jedoch im Süden des Landes, der Grønsalen ist ein typisches Beispiel. Während die vier Steine der mittleren Kammer gleich hoch sind, hat die östliche Kammer am Ostende einen niedrigeren Stein, der möglicherweise als Eingangsstein zur Kommunikation mit dem verstorbenen Ahnen gedient haben könnte. Aus keiner der drei Grabkammern sind Grabbeigaben, Knochen oder sonstige archäologische Funde bekannt.

Grønsalen, Deckstein der westlichen Grabkammer
Deckstein der westlichen Grabkammer
Grønsalen, mittlere Grabkammer
Mittlere Grabkammer
Grønsalen, östliche Grabkammer
Östliche Grabkammer

Seinen Namen hat der Grønsalen, ebenso wie die Meerenge Grønsund, die Møn von der Nachbarinsel Falster trennt, nach König Grøn, der bedeutendsten Sagengestalt West-Møns aus heidnischer Zeit, als die Insel noch in sieben sagenhafte Königreiche geteilt war. Der riesenhafte Grøn war ein passionierter Jäger, seine Braut hieß Fane, nach ihr ist der Fanefjord benannt. Im 17. Jahrhundert wurde die Jagdleidenschaft der beiden in Volksliedern besungen, wie folgende von Peder Hansen Resen in seinem Atlas Danicus wiedergegebene Strophe belegt:

Her hviler Grøn og Fane sin, Hier weilen Grøn und seine Fane,
Som trætted rasken hjort og hind. Die jagten flinken Hirsch und Hirschkuh.
Tak bonde god din dyre-gud, Dank Bauer Deinem Tiergott gut,
Nu går du trygt ad sundet ud. Nun fährst Du sicher den Sund hinaus.

Der Sage nach wurde König Grøn nach seinem Tod zum Schutzgeist West-Møns, er zog als Wächter und Beschützer durch sein Reich. Jedes Jahr um die Mittwinterzeit konnte man einen Mann ohne Kopf auf seinem Pferd sitzend, einen Jagdspeer in der Hand, an der Spitze seines Gefolges aus Männern mit bluttriefenden Lanzen und eine mächtige Meute bellender Hunde um sich, über Felder und durch Wälder in die Schlacht gegen Feinde reiten sehen, und Jagdhörner und der Klang von Schwertern und Schilden hallten durch die Nacht. Dieser Mann ist, nach einer uralten Überlieferung der Bauern auf Møn, das Gespenst Grøns.

Über den Grund, warum Grøn ohne Kopf ausritt, gibt es zwei verschiedene Geschichten. Die eine besagt, daß Grøn seinen Kopf in einem Kampf mit den Wenden verlor. Mit diesem slavischen Volk von der Südküste der Ostsee lag Grøn in ständigem Streit. Einer anderen Sage zufolge war sein Gegner Huno, der Nachfolger des Klintekongen, des legendären Königs Ost-Møns.

Auch über den weiteren Fortgang nach dem Verlust seines Kopfes gehen die Geschichten auseinander. So wurde einerseits erzählt, daß Grøn seinen Kopf bei seinen nächtlichen Ausritten unter dem linken Arm trug. Andererseits geht die Sage von einer heilenden Salbe, die seine Braut Fane auf die Wunde schmierte, worauf der Kopf sogleich wieder festwuchs.

Noch um 1900 will ein alter Postbote, der mit Briefen von Møns Hauptstadt Stege nach Damsholte im Westen der Insel unterwegs war, den Grønjæger gesehen haben, in vollem Galopp dahinreitend, mit einer Lanze, deren Spitze vergoldet war und wie Feuer strahlte. Auf dem Rückweg kam der Reiter ohne Kopf daher. Seine beiden schwarzen Hunde konnten mit dem Pferd nicht mehr mithalten, blieben hechelnd am Wegrand sitzen und begannen zu heulen.

König Grøn wurde seit dem ausgehenden Mittelalter das Grab am Ostende des Grønsalen zugeschrieben, seiner Braut Fane das Grab am Westende mit dem schönen glitzernden Deckstein. Man fand es naheliegend, daß der vornehme Langdolmen als Grabmal für den sagenhaften König und seine Braut aufgefaßt werden sollte.

Grønsalen, Kopfende
Die mächtigen Kopfsteine am westlichen Ende des Grønsalen


Quellen und weiterführende Literatur

  • ANONYMUS (o.J., < 1992): Møn - Eine Insel in der Ostsee. Møns Turistforening.

  • BJERGE HANSEN, B. & THOMSEN, Jens (1955): Møn. Møns Turistforening, Stege.

  • BUUS, H. (o.J.): Fanefjord Kirke. Fanefjord meninghedsråd, Stege.

  • EBBESEN, Klaus (1993): Stendysser og jættestuer. Odense Universitetsforlag, Odense.

  • HERTIG, Henrik (Red.)(1981): Peder Hansen Resen. Atlas Danicus. Møn. Faksimile der Handschrift Uldall 186 fol. III pag. 2-121 mit Übersetzungen und Kommentaren. Odense Universitetsforlag, Odense.

  • LARSEN, Bodil Leth (o.J., < 1970): Møns Vorzeitsdenkmäler. Møns Turistforening, Stege.

  • LARSEN, Lauritz (1952): Møns Historie. Neudruck 2004. Lokalhistorisk Forening for Møn Kommune, Stege

  • LEVINSEN, Majbritt N. (1997): Grønsalen. Welcome to Insula Moenia - A small island in the southeast of Denmark.

  • MATHIASEN, Therkel (1959): Stenalderens mindesmærker i landets forskellige egne. In: BURE, Kristijan (Red.): Stenalderen. Turistforeningen for Danmark, Årbog. Det Berlingske Bogtrykkeri, Kopenhagen.

  • MICHAELSEN, Karsten Kjer (2002): Politikens bog om Danmarks oldtid. Politikens Forlag, Kopenhagen.

  • RASMUSSEN, Jørgen Munck (2005): Sagn og eventyr fra Møn. Møn Turistforening, Stege.



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